Friedrich Gass 2017
KELLERGASSE UNTERSTINKENBRUNN
Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Reiseleiter.

Mein Name Ist Friedrich Gass Winzer, Buschenschenker und Landwirt aus Unterstinkenbrunn.

Ich begrüße Sie auf das herzlichste und heiße Sie willkommen in Unterstinkenbrunn.


Der Ort Unterstinkenbrunn wurde 1150 Urkundlich erwähnt. Es ist wieder ein eigenständige Gemeinde mit 230 Häusern und ca. 600 Einwohner. Das Dorf liegt am südlichen Rand der Laaer Ebene und ist im Westen, Süden und Südosten vom Hügelland eingeschlossen. Die Kirche, Pfarrhof und Kindergarten befinden sichneben der 6er Bundesstraße (Durchzugsstraße) diese führt von Laa an der Thaya nach Korneuburg. In den 70er Jahren wurde im Zug der 2. Kommastierung eine
Gemeindefläche für eine Badsiedlung umgewidmet. Die Land und Nebenerwerbslandwirte bebauen ihre Felder mit Getreide, Zuckerrüben, Zwiebel, Kartoffeln und Wein. Die Viehzucht wurde fast gänzlich aufgegeben. Es gibt in
Unterstinkenbrunn ein EU-Schlachthof, eine Autowerkstätte und ein Sägewerk. Weiters gibt es eine Post, Raika, Gemeindehaus und eine Wahlärztin in der ehemalige Schule. Eine Pizzeria und zwei Gasthäuser mit Fremdenzimmer, die gut geführt werden. Ein Sportverein, Tennis- und Jugendclub sind ebenfalls vorhanden.Die Pfarrkirche und Orgel wurden in den letzten beiden Jahren innen renoviert, sowie das alte Gemälde wieder hergestellt. Wir sind jetzt wieder eine Filiale der Pfarre Gaubitsch. Die neugotische Pfarrkirche wurde 1878 gebaut und Petrus und Paulus geweiht. 1905  wurde ein Kindergarten eingerichtet. In dem zweistockhohem Asyl wurden die Kinder von Klosterschwestern betreut. Im oberen Stockwerk befindet sich eine
Kapelle. Der Zisterzienserorden hat mittlerweile das Gebäude der Gemeinde Unterstinkenbrunn verkauft. Am Ortsrand, in der Nähe des Kindergartens befand sich ein alter Sportplatz, dieser diente weiters noch als Lagerplatz für Zigeuner und Scherenschleifer. Diese sammelten von den Bauern Heu für ihre Pferde und holten von den Leuten Messer
und Scheren. Diese wurden dann geschliffen und wieder an die Bewohner zurückgegeben. Ihre Kinder gingen in die Schule des Ortes. Se lebten von diesen kleinen Einnahmen und zogen nach ein paar Tagen wieder weiter. 1970 wurde der
Sportplatz geschleift und ein Freizeitbad mit Kinderbecken und Kantine eingerichtet.
In den 60er Jahren wurde Unterstinkenbrunn bei „Niederösterreich in Blumenschmuck“ unter den ehemaligen Bürgermeister Matthias Hartmann und dem Verschönerungsverein einmal der erste, dreimal der zweite und dreimal der dritte
Preis zuerkannt. Der schmucke Ort trägt seinen gar nicht so schönen Namen zu unrecht. Gerade seine Quelle führt nämlich im Gegensatz zu den Brunnen der Umgebung, deren Wasser stark salpeterhaltig ist, besonders gutes eisenhaltiges Wasser. Es ist der Trinkbrunnen von dem die Einwohner des Ortes ihr kühles Wasser holten Kühlschränke und Mineralwasser gab es zu dieser Zeit noch nicht. Im Jahr 1908 wurde mitten im Dorf der Kaiserbrunnen erbaut. Der Kaiserbrunnen wurde mit einer
Rohrleitung vom Trinkwasserbrunnen her angespeist. Auch hier holten die Dorfbewohner das eisenhaltige Wasser. Der Brunnen wurde als Stinkenbrunnen erwähnt und des Ortes abgeleitet und später der Name Unterstinkenbrunn zuerkannt.
Im oberen Ortsteil befindet sich die Pestsäule. 1679 – 1713 wütete in unserer Gemeinde die Pest. Wobei die Pestsäule die Begräbnisstätte der Pestopfer darstellt. Am Nordrand des Ortes befindet sich auf einen breiten Platz das Schloss. Dieses alte Jagdschloss wurde 1630 erbaut und hatte mit den angrenzenden Stallungen wichtige Funktionen Im Herbst wurde zur Jagd geblasen. Nachdem das Niederwild erlegt war, wurde in der Kapelle eine Messe gelesen. Nach Jagdende wurde die
Strecke gelegt. Beim Eintreffen der Jagdherren musste die Dienerschaft beim Absitzen und Aussteigen behilflich sein. Während die Herrschaften die breite Stiege benützte musste das Gesinde durch die Innenstiege (zur Zeit zugemauert) in den
ersten Stock eilen und dort die Türen öffnen. In den oberen Räumen wurde gegessen und Unterstinnkenbrunner Wein getrunken. Schlafräume gab es nur für Fürsten und Grafen. Unterkellert ist nur ein Drittel des Gebäudes, dafür gibt es
Geheimgänge die freigelegt sind. Überall findet man Nischen, Kammern und Hohlräume die vielleicht früher Verwendung fanden jetzt aber zugemauert sind. Im Schosshof war ein Brunnen der erst vor wenigen Jahren zugeschüttet wurde.Wenn im 6 km entfernten Laa/Thaya Viehmarkt war, wurden vorbeiziehenden Tiere nochmals mit Wasser versorgt. An der Fassade neben dem Kapellfenster kann man noch heute eine Sonnenuhr erkennen. Der Besitzer des Jagdschlosses und
Herrschaft 300 Joch war Graf Sinzendorf. Nach deren Ableben erbte es Fürst Heinrich Reuß-Kostritz dessen Nachkommen es bis 1933 besaßen. 1933 verkaufte Fürst Reuß in Ernstbrunn das Schloss samt Stallungen und Äckern. Das Gebäude wurde in Kleinwohnungen zerlegt und Hof und Stallungen in kleine Parzellen aufgeteilt. Aber Unterstinkenbrunn hat auch ein zweites Juwel, die Lehmgrube (Weinviertler Dialekt „Loamgrui“). Der Lehm von der Lehmgrube wurde einst nach Gaubitsch zu
einem Feldziegelofen hingebracht und daraus Ziegel gebrannt. Im 17. Jahrhundert wurden dann an den sogenannten Gstetten Röhren eingegraben und mit gebrannten Mauerziegeln angewölbt. Ca. im 18. Jh. hat man dann auch die Presshäuser davor
gestellt. Die Presshäuser der damaligen Zeit wurden aus Lehmziegel gebaut. Die Dächer mit Stroh gedeckt und später dann durch Dachziegel ersetzt. Als Belüftung dienten kleine Fenster die an kalten Wintertagen mit Stroh verstopft wurden. Der
mittlere Teil der Lehmgrube sind Presshäuser mit Vordächer. (Einzigartig im ganzen Weinviertel). Diese dienen einerseits als Regenschutz weil diese den Kellergang vor dem Presshaus haben. Andererseits weil die Kellerröhre unter einer darbunterliegenden Kellerröhre sich befindet. Jede dieser Kellerröhren hat eine Entlüftungsröhre (Dunstlücke) diese wirkt gleichzeitig gegen hohe Luftfeuchtigkeit.Die Tradition zum Weinbau nimmt immer mehr ab. Es waren vor der Kommastierung
vier Rieden und ca. 70 Weinbauern. Der Schwerpunkt wurde von der Landwirtschaft auf Ackerbau verlegt. Es gibt jetzt ca. 20 Weinhauer in unserer Gemeinde, die bewirtschaften ca. 8 ha Wein. 90% ist Weißwein und 10% besteht aus Rotwein. Die
Hauptsorte beim Weißwein ist der Grüne Veltliner weiters gibt es die Sorten Welschriesling, Weißer Burgunder und Müller-Thurgau. Die bekanntestenRotweinsorten sind Blauer Portugieser und Blauer Z doch mit den jetzigen Unterlagen fast zur Gänze ausgerottet. Odium und Peronospora treten Jahr für Jahr eher schwach bis gar nicht mehr auf. Unsere Weingärten werden in ökologischer Weise geführt. In fast jedem der 80 Presshäuser ist eine schöne Holzpresse vorhanden. Die Baumpresse mit Spindel und Pressstein hatte man aus einer großen Eiche gebaut. Es wurde der Name des Besitzers sowie Verzierungen und Jahreszahl eingraviert. Sie ist das Schmuckstück jedes Presshauses.

Die Lehmgrube mit seinen Kellergassen liegt außerhalb des Ortes. Man erreicht sie über die Bundesstraße oder durch die zwei Hohlwege zu Fuß ca. 400 m. Anschließend gehen wieder zwei Hohlwege zum blauen Kreuz. Die Hohlwege sind
im Laufe der Zeit durch Wasserrinnen entstanden. An den Seitenwänden der Hohlwege wurden Kellerröhren ausgegraben. Diese dienten zum größten Teil als Kartoffelkeller. Die Hohlwege waren in der damaligen Zeit sehr eng, daher durfte
man nur hinunter fahren. Inzwischen wurden die Hohlwege vom Land Niederösterreich mit Hohlwegwächter unter Naturschutz gestellt und das ersteHohlwegfest abgehalten.

Das Fest war ein großer Erfolg und die Lehmgrube wurde aufgewertet. In den 80er Jahren begannen die Unterstinkenbrunner eine Renovierungswelle, sie beseitigten Brenn-Nessel und Holunderstauden. Bei vielen er alten Presshäuser fehlte teilweise der Verputz. Bei manchen fehlte sogar die Eingangstüre. Hier wurde feuchtes Stroh im Presshaus angezündet und diente der
Feuerwehr als Atemschutzübung. Vom Ort über die Hohlwege suchten die Unterstinkenbrunner in der Lehmgrube Zuflucht. Die Lehmgrube diente seit jeher als Zufluchtsort bei Brandkatastrophen und Kriegsereignissen. Im April und Mai 1945
wurde im Meierhoferkeller die heilige Sonntagsmesse abgehalten, denn dieser Keller hat zwei Röhren und einen Verbindungsgang. Zu dieser Kriegszeit gingen die Ortsbewohner in der Früh und am Abend wenn es dunkel war in den Ort hinunter um das Vieh zu versorgen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde dann eine Ortsbeleutung in der Lehmgrube installiert. Eine lustige Sache ist, es wurde von den Kellermännern ein Lehmgrubenbürgermeister gewählt. Seine Amtstunden sind jeden Samstag um 17 Uhr im Wandererkeller. Der Lehmgrubenbürgermeister ist auch der Kapellmeister der Unterstinkenbrunner Blasmusik und hat so manche Trinksprüche jederzeit bereit. Im Kraftkeller findet jedes Jahr zu Sylvester das Sauschädelessen statt. Der Lehmgrubenbürgermeister hat mit den Kellermännern in einer Sitzung den Beschluss gefasst:
Hohlweg, Gassen und Straßenbenennung. Künstlerhohlweg, Schleuderhohlweg, Nusshohlweg etc.
Veranstaltungsplatz, Weinstraße, Karlsplatz, Höhenstraße, Saufluckn, Heurigengasse, etc.
Der Pfarrkeller in der Mitte der Lehmgrube. Hier im Pfarrerkeller lagerten der Pfarrer und der jeweilige Lehrer der Gemeinde ihren Wein. Von den jährlich zu Verfügung gestellten Most der Weinbauern bereitete der Pfarrer eigenhändig den Messwein zu.
Zur Zeit werden in diesem Gebäude Geräte des Weinbauvereins gelagert. Neben den Pfarrerkeller wurde ein öffentliches WC im Stil eines Presshauses gebaut. Die Gemeinde stellte das Material zur Verfügung. Es wurde fast alles in Eigenleistung
gearbeitet. Bauherr war der Weinbauverein. Ein Heuriger hat inzwischen auch für ein paar Monate im Jahr seine Türen geöffnet. Der einzige Dorfkirtag findet jetzt als Feuerwehrheuriger ebenfalls in der Lehmgrube statt. Beim Adventmarkt wird die Lehmgrube mit Tannenbäumen sowie die Keller mit Tannenzweigen geschmückt.
Der Hohlweg wird als Märchenhohlweg dargestellt. Die Presshäuser und Keller werden auch als „Das Dorf ohne Rauchfang“ genannt. Unsere Lehmgrube hat bei so manchen Fremden einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Einige wenige Fehler an den Dächern und Fassaden sollt man in Zukunft wieder zum Damaligen Zustand herstellen.
Meine lieben Freunde ich hoffen, dass Euch mein Vortrag in Erinnerung bleibt und
dass Euch meine Kellergassenführung gefallen hat. Abschließend lade ich Euch zu
einer guten Jause ein und zu einem guten Wein bei mir am Heurigen ein.

 

 

   

    Wenn die Zeit kommt, in der man könnte,
    ist die vorüber, in der man kann.


    Marie von Ebner-Eschenbach(1830 - 1916)

    Marie Freifrau Ebner von Eschenbach

 

 

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